Berlin (DAV). Anlässlich der begonnenen Koaliti­ons­ver­hand­lungen fordert der Deutsche Anwalt­verein (DAV) einen Neustart für die Sicher­heits­ge­setz­gebung. Die künftige Regierung muss dringend auch eine Koalition für die Freiheits­rechte sein. Erforderlich sind unter anderem ein sicher­heits­recht­liches Moratorium, eine Analyse der bestehenden Überwa­chungs­dichte, aber auch die generelle Aufwertung der Verbän­de­be­tei­ligung in Gesetz­ge­bungs­ver­fahren.

Staats­trojaner aussetzen

„Es ist wichtig, dass sich die neue Regierung und der neue Bundestag wieder stärker den Freiheits­rechten zuwenden und diese aktiv schützen, anstatt diese Aufgabe in die Hände der Verfas­sungs­ge­richte zu legen“, mahnt Rechts­an­wältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptge­schäfts­führerin des DAV„Wir haben aber Vertrauen, dass die neue Koalition auch ein Momentum für die Freiheits­rechte ist.“

Die proble­ma­tische Wertever­schiebung der letzten Legisla­tur­pe­rioden zeigt sich beispielhaft beim sogenannten Staats­trojaner: Der heimliche Zugriff des Staates auf Smartphones und Computer ist ein massiver Grundrechts­eingriff. Dennoch wurden nahezu bundesweit Ermäch­ti­gungs­grundlagen dafür geschaffen – ungeachtet anhängiger Verfas­sungs­be­schwerden. Der DAV fordert, den Einsatz von Staats­tro­janern bis zur Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts auszusetzen.

Überwa­chungs­ge­samt­rechnung und Moratorium

Ein Neustart für die Freiheits­rechte kann nur gelingen, wenn die bestehende Überwa­chungs­dichte analysiert wird, bevor weitere Befugnisse geschaffen werden: „Bei den zahlreichen, teils weit verstreuten Überwa­chungs­be­fug­nissen von Bund und Ländern liegt die Vermutung nahe, dass das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile“, so Ruge. Bis eine General­re­vision der Sicher­heits­ge­setz­gebung vorliegt, dürften – bei unverän­derter Sicher­heitslage – keine neuen sicher­heits­recht­lichen Überwa­chungs­mög­lich­keiten geschaffen werden.

Die Evaluation erfolgt sinnvol­lerweise unter Einbeziehung der bereits laufenden Forschungs­projekte hierzu. An einem der Projekte – „Sicher­heits­ge­setz­gebung und Überwa­chungs­ge­samt­rechnung“ unter dem Dach der Ludwig-Maximilians-Universität München – ist auch der DAV als Projekt­partner beteiligt.

Verbän­de­be­tei­ligung wieder ernst nehmen

Einen Neustart braucht es auch im Prozedere der Gesetz­gebung. „In der letzten Legislatur hat sich der Gesetzgeber bei der Schaffung neuer Überwa­chungs­in­strumente förmlich überschlagen,“ so Ruge. Auch sind Gesetzes­in­itiativen wiederholt mit enormer Geschwin­digkeit durchge­peitscht worden, etwa zum BND-Gesetz. Stellung­nah­me­fristen für externe Expert:innen betrugen teilweise nur wenige Tage. Dieser Trend dürfe sich nicht fortsetzen: „Der Bundestag muss wieder das Zentrum der rechts­po­li­tischen Debatte werden und den Stimmen aus Wissen­schaft, Praxis und Zivilge­sell­schaft Gehör und Respekt verschaffen.“

Der DAV spricht sich auch für die Schaffung eines bzw. einer unabhängigen Polizei­be­auf­tragten für Bundes­kri­mi­nalamt (BKA) und Bundes­polizei aus. Überdies ist die Neuaus­richtung des BKA als Zentral­stelle für die polizeiliche Datenver­ar­beitung („Polizei 2020“) enger – und kritisch – zu begleiten.

Quelle: Deutscher Anwaltverein Pressemitteilung Nr. 44 vom 28. Oktober 2021

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