Das Famili­enrecht hinkt an etlichen Stellen der Lebens­wirk­lichkeit hinterher. Der Deutsche Anwalt­verein (DAV) fordert die neue Koalition auf, die Weichen für ein zeitgemäßes und am Kindeswohl orientiertes Famili­enrecht zu stellen. Reform­bedarf besteht insbesondere bei den Regelungen zum Kinder­wunsch, zur rechtlichen Eltern­schaft und zum Unterhalt.

Vom Kinder­wunsch zum Wunschkind

Der DAV fordert die Legali­sierung von Eizellen- und Embryo­nen­spenden sowie die Einführung einer altruis­tischen, also nicht auf finanziellen Gewinn gerichteten Leihmut­ter­schaft. Die entspre­chenden Verbote im Embryo­nen­schutz­gesetz sind nicht mehr zeitgemäß. „Die Geburt eines Kindes darf nicht davon abhängen, ob die Eltern über die finanziellen Mittel verfügen, rechtlich zulässige Maßnahmen in anderen Ländern zu nutzen“, betont DAV-Hauptge­schäfts­führerin Dr. Sylvia Ruge.

Wer selbstlos Leihmutter sein wolle, sollte dies auch dürfen. Rechte und Pflichten der Wunsch­eltern sowie der Leihmutter müssten dabei klar geregelt sein. Wenn sich Eltern wiederum ein leibliches Kind wünschen, darf es innerhalb einer Kinder­wunsch­be­handlung keinen Unterschied machen, ob dafür eine Samenspende oder eine Eizell­spende nötig ist.

Reform des Abstam­mungs­rechts

Zum Wohl des Kindes ist eine schnelle und verlässliche familiäre Zuordnung geboten. Einem Kind sollen primär die beiden Personen als Elternteile zugeordnet werden, die als Wunsch­eltern die Geburt und familiäre Bindung mit dem Kind anstreben. Die rechtliche Eltern­schaft müsse auch für die Frau gelten, die diese anerkennt oder im Zeitpunkt der Geburt mit der gebärenden Frau verheiratet ist. „Es ist rechtlich inakzeptabel, dass die mit der Geburts­mutter verhei­ratete Co-Mutter die rechtliche Zuordnung erst durch Adoption des gemeinsamen Wunsch­kindes erlangen kann“, so die DAV-Hauptge­schäfts­führerin.

Elterliche Sorge und Unterhalt

Das deutsche Kindschaftsrecht fokussiert noch zu sehr auf traditionelle Vorstel­lungen von Eltern­schaft und Familie: „Die Verant­wortung der Eltern für das gemeinsame Kind basiert derzeit entweder auf einer Ehe oder auf einer gericht­lichen Entscheidung“, erläutert Ruge„Dies wird den veränderten Lebens­welten von Familien nicht mehr gerecht.“ Familien existieren heute vielfach unabhängig von Trauschein und Geschlecht, und Kinder können biologische, genetische, rechtliche und soziale Elternteile haben. Deshalb soll die elterliche Sorge auch als Folge der Anerkennung eines Kindes und der gericht­lichen Feststellung der Vaterschaft automatisch bei beiden Eltern­teilen liegen.

Der DAV hatte bereits Anfang 2017 einen Gesetz­entwurf für eine Reform des nachehe­lichen Ehegat­ten­un­ter­halts­rechts veröffentlicht. Die Forderung ist nach wie vor aktuell. Früher wurde Unterhalt nahezu unbeschränkt gewährt – als seien die Eheleute nicht geschieden worden. Heutzutage endet der Anspruch wesentlich früher, was zu Ungerech­tig­keiten führt. Es bedarf einer besseren Absicherung der finanziell schwächeren Seite.

Besteht keine Ehe, muss zum Wohle des Kindes auch die Unterhalts­ab­si­cherung für den betreuenden Elternteil (Betreu­ungs­un­terhalt) verbessert werden. Das in einer Ehe der Eltern aufgewachsene Kind kann sich für den Fall der Trennung zumindest auf stabile finanzielle Verhältnisse verlassen. Für den Fall, dass die Eltern nicht miteinander verheiratet waren, wird allein auf das Einkommen des betreuenden Elternteils abgestellt, welches dieser vor Beginn der Partner­schaft hatte. Dies kann dazu führen, dass das Kind in eine stark verschlechterte wirtschaftliche Situation gerät.

Verbessert werden muss auch der Ausgleich der während der Ehe erworbenen Versor­gungs­an­rechte (Renten­an­sprüche). Es muss sicher­ge­stellt werden, dass alle von einem Partner während der Ehezeit erworbenen Versor­gungs­an­rechte mit dem anderen Ehepartner geteilt werden. Es ist dabei notwendig, dass ein Anrecht, welches während des Eheschei­dungs­ver­fahrens vergessen oder verschwiegen wurde, noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen werden kann.

Quelle: DAV, Pressemitteilung vom 9. November 2021

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