Beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind im vergangenen Jahr insgesamt 164 neue Verfahren eingegangen. Im Vergleich zum Jahr 2020 mit 238 Neueingängen ist die Zahl der Neueingänge zwar rückläufig, bleibt aber auf sehr hohem Niveau, was im Wesentlichen auf die fortdauernde Pandemiesituation zurückzuführen ist.

Wie bereits im Vorjahr haben die Bürgerinnen und Bürger intensiv von der Möglichkeit der Popularklage Gebrauch gemacht, mit der die Verfassungswidrigkeit von bayerischen Rechtsnormen gerügt werden kann. Bei einem durchschnittlichen jährlichen Verfahrenseingang von ca. 20 Verfahren vor der Pandemie sind im vergangenen Jahr 71 neue Popularklagen eingegangen (der zweithöchste Wert in der Geschichte des Verfassungsgerichtshofs nach 119 neuen Popularklagen im Vorjahr). Davon betreffen 61 im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung erlassene Vorschriften, wie insbesondere die verschiedenen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen. Weitere Popularklagen beziehen sich beispielsweise auf das Klimaschutzgesetz, die Einführung des Islamischen Unterrichts in Bayern, das Polizeirecht und kommunale Satzungen.


Es wurden 85 Verfassungsbeschwerden erhoben, mit denen sich Bürgerinnen und Bürger gegen behördliche und/oder gerichtliche Entscheidungen wenden, weil sie sich in ihren durch die Bayerische Verfassung gewährleisteten Rechten verletzt fühlen.

Im Hinblick auf die Einführung des Islamischen Unterrichts in Bayern sowie eine Regelung im Polizeiaufgabengesetz sind Meinungsverschiedenheiten von jeweils einer Oppositionsfraktion im Bayerischen Landtag neu anhängig gemacht geworden.


In sechs Fällen haben Anträge einer Oppositionsfraktion bzw. von Abgeordneten des Bayerischen Landtags zur Einleitung von Organstreitverfahren geführt.

Den Neueingängen stehen 130 im Jahr 2021 erledigte Verfahren gegenüber.

Erledigt wurden u. a. 94 Verfassungsbeschwerden, davon 16 durch Entscheidung der mit jeweils neun Verfassungsrichtern besetzten Spruchgruppe. Gegenstand der erledigten Verfassungsbeschwerdeverfahren waren überwiegend zivil-, straf- und verwaltungsgerichtliche Urteile und Beschlüsse. Erfolg hatten drei Verfassungsbeschwerden, wobei die langfristige statistische Erfolgsquote bei 2,33 % liegt und damit in etwa der Größenordnung für vergleichbare Verfahren beim Bundesverfassungsgericht entspricht.


Der Verfassungsgerichtshof hat ferner über elf Popularklagen entschieden, die u. a. Überhang- und Ausgleichsmandate bei Landtagswahlen, die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der CoronaPandemie vom 24. März 2020, das Bayerische Infektionsschutzgesetz, eine „Grenzgänger“-Regelung in der Einreise-Quarantäneverordnung vom 5. November 2020 und das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten betrafen. Eine Popularklage (gegen eine anlässlich der Corona-Pandemie erlassene Bestimmung in der Gemeindeordnung zur möglichen Verlängerung des Einsetzungszeitraums eines Ferienausschusses im Jahr 2021 und zur Einsetzung eines beschließenden Ausschusses mit entsprechenden Befugnissen in sonstigen Zeiträumen des Jahres 2021) war erfolgreich; im langjährigen Durchschnitt beträgt die Erfolgsquote bei Popularklagen ca. 9,22 %.


Erfolglos geblieben ist ein Antrag wegen einer Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf Zusammensetzung und Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Bayern.


Ebenso erfolglos war eine Organklage gegen die Mitgliedschaft des Bayerischen Landtags in dem „Bayerischen Bündnis für Toleranz“.

Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr neun Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sowie einen Eilantrag zur Einführung des Islamischen Unterrichts in Bayern abgelehnt.

Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Pressemitteilung vom 4. Januar 2022

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