Jeder dritte kommunale Amts- und Mandatsträger hat zwischen 2014 und 2021 mindestens einmal Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder körperliche Gewalt erlebt. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie, deren Ergebnisse Innenminister Michael Stübgen heute zusammen mit Forschern vom „Change Centre Consulting“ (CCC) vorgestellt hat. Die Untersuchung liefert erstmals belastbare Belege für das Ausmaß von Hetze, Drohungen und Gewalt gegen Amts- oder Mandatspersonen im Land Brandenburg. Erfasst wurde der Zeitraum 2014 bis 2021. Über 1.500 in Brandenburg kommunalpolitisch aktive Personen haben sich an der Studie beteiligt. Sie trägt den Titel „Präventive Strategien zum Schutz von kommunalen Amts- und Mandatspersonen vor Einschüchterung, Hetze und Gewalt“. 

Innenminister Stübgen: „Die Studie zeigt Entwicklungen der Verrohung in unserer politischen Kultur. Hochgerechnet auf den untersuchten Zeitraum wurden im Land Brandenburg etwa 2.500 kommunale Amts- oder Mandatspersonen Opfer von Hass, Hetze und Gewalt. Es verging also im untersuchten Zeitraum statistisch fast kein einziger Tag, an dem es nicht irgendwo in Brandenburg zu einem solchen Vorfall kam. Besonders beschämend ist: Frauen werden häufiger und vor allem in einer üblen Art und Weise bedroht und angegriffen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dem entschieden entgegenzutreten. Kommunalpolitik ist das demokratische Fundament unserer freien Gesellschaft. Das werden wir schützen und erhalten.“

CCC-Studienleiter Prof. Dr. Joachim Klewes: „Unsere quantitative Befragung liefert belastbare Belege für das Ausmaß von Hetze, Drohungen oder Gewalt gegen Amts- oder Mandatspersonen im Land Brandenburg. Dabei fällt zweierlei auf: Hass und Hetze sind in den größeren Städten und Großstädten deutlich häufiger als in den kleinen Gemeinden auf dem Land. In der Landeshauptstadt Potsdam gibt jede zweite befragte kommunalpolitisch tätige Person an, Beleidigungen, Bedrohungen oder Gewalt erfahren zu haben. Außerdem hat uns überrascht, dass kommunale Amts- und Mandatsträger vielfach selbst Auslöser von Angriffen auf Kolleginnen und Kollegen sind.“

Stübgen wies auf einen weiteren wichtigen Befund hin: „Viele Leiterinnen und Leiter kommunaler Verwaltungen und viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker fühlen sich allein gelassen, wenn es um Hetze, Drohung und Gewalt gegen sie geht. Damit wird ein gesamtgesellschaftliches Problem beschrieben, für das wir nur gemeinsam Lösungen finden können. Dafür braucht es Aufmerksamkeit und Wahrnehmung – unsere Studie leistet dazu einen wichtigen Beitrag.“

Stübgen forderte, die Studie als Grundlage für einen breit angelegten gesellschaftlichen Dialog zu nutzen. Als erste Maßnahme kündigte er an, dass die kommunalen Bildungsträger im Land mit Unterstützung der „Landesakademie für öffentliche Verwaltung“ in Kürze für kommunale Amts- und Mandatspersonen Seminare und Veranstaltungen zum Umgang, zur Prävention und zur Resilienz gegen Einschüchterung, Hass sowie Gewalt auflegen werden. Außerdem werden der Verfassungsschutz Brandenburg und seine Kooperationspartner sich im Rahmen der praxisorientierten „Oranienburger Reihe“ auf vier regionalen Veranstaltungen mit den Studienergebnissen und möglichen Gegenstrategien im kommunalen Raum auseinandersetzen. 

Hintergrund

Innenminister Stübgen hatte im Sommer 2020 in seinem „Maßnahmenplan im Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ angekündigt, ein empirisches Lagebild zu diesem Themenfeld vorzulegen. Die Studie kombiniert auf Grundlage einer Literaturanalyse sowie einer mit Experteninterviews hinterlegten bundesweiten Best Practice Recherche zwei große analytische Module, in deren Konzeption außer dem Forscherteam auch weitere wissenschaftliche Expertenpersonen einbezogen waren: Eine schriftliche Vollerhebung bei allen über 7.000 kommunalen Amts- und Mandatspersonen in Brandenburg sowie eine Telefonbefragung mit über 50 qualitativen Interviews mit Praktikerinnen und Praktikern aus kommunalen Leitungspositionen, mit ehrenamtlichen Mandatspersonen sowie mit regionalen Expertenpersonen quer durch Brandenburg. Die Studie wurde von „Change Centre Consulting“ (CCC) durchgeführt.

Quelle: Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg, Pressemitteilung vom 4. April 2022

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