Der Verpächter eines denkmalgeschützten Herrenhauses muss im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung nicht die Interessen des Pächters wahrnehmen und ihm das Vertragsrisiko abnehmen. Ob der beabsichtigte Vertrag von Vorteil ist, muss der Pächter selbst prüfen und entscheiden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung die landgerichtliche Entscheidung bestätigt, wonach das Land Hessen ausstehende Pacht verlangen kann und dem Pächter nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Nr. 30/2022

Das Land Hessen betreut rund 47 denkmalgeschützte historische Liegenschaften, u.a. das hier streitgegenständliche ehemalige Herrenhaus. Das Herrenhaus wurde zur Führung eines gastronomischen Betriebs an die Beklagten verpachtet und befand sich damals im Sanierungsstadium. Die Beklagten eröffneten das Restaurant im Mai 2014. Heizung, Leitungssysteme und Lüftung waren dabei aus Zeitgründen noch nicht erneuert worden. Die Beklagten übernahmen Renovierungsarbeiten im ersten Geschoss und Ausstattungen der Küche auf eigene Rechnung und berechneten die Eigenleistungen dem Land gegenüber. Pachtzahlungen erbrachten sie nicht. Das Land kündigte wegen des aufgelaufenen Zahlungsrückstands im Januar 2019 den Pachtvertrag.

Vor dem Landgericht begehrte das Land u.a. die Räumung des Herrenhauses und Zahlung ausstehender Pacht in Höhe von rund 68.500 €. Dabei berücksichtigte es eine Minderung der Pacht um 50% für die Jahre 2015-2017 und von 25% für das Jahr 2018. Die Beklagten begehrten widerklagend Schadensersatz in Höhe von rund 390.000 € u.a. wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Sie seien über den Zustand des Herrenhauses arglistig getäuscht worden.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Widerklage zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Land könne Zahlung der berechneten Pacht verlangen. Die Pacht sei insbesondere nicht auf Null gemindert gewesen. Maßgeblich seien insoweit die Gesamtumstände. Der vertragsgemäße Gebrauch sei zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen gewesen. Die Gaststätte sei durchgehend betrieben worden und es seien vielmehr erhebliche Umsätze generiert worden. Zudem hätten die Parteien vertraglich wirksam das einseitige Minderungsrecht der Pächter ausgeschlossen.

Die Beklagten könnten gegen diese Forderung auch nicht aufrechnen, da die Parteien wirksam ein Aufrechnungsverbot für umstrittene Forderungen vereinbart hätten. Sie könnten auch nicht Schadensersatz wegen der Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten verlangen. Die Forderung sei bereits nicht hinreichend bestimmt. Zudem beziehe sich die Berechnung auf das Anlagevermögen einer GbR, die selbst aber nicht Vertragspartnerin geworden sei. Es sei auch nicht dargelegt, dass es sich bei dem eingeklagten Betrag um Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln oder eine Wertminderung handele.

Schließlich habe das Land auch keine vorvertraglichen Pflichten verletzt. Der Umfang der geschuldeten Aufklärungspflichten des Vermieters richte sich nach dem Einzelfall. Ein Vermieter sei nicht gehalten, „dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen“. Es sei vielmehr Sache des Mieters, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten Fragen zu stellen. Hier habe das Land weder einen „bestimmten Zustand der Pachtsache garantiert noch irrtums- bzw. täuschungsrelevante Erklärungen über den Zustand abgegeben oder solche Erklärungen pflichtwidrig unterlassen“. Insbesondere seien die Angaben des Landes zum Sanierungszustand des Objektes nicht pflichtwidrig falsch gewesen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig; mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 6.4.2022, Az. 12 U 323/20

(vorausgehend Landgericht Darmstadt, Teilurteil vom 6.11.2020, Az. 17 O 168/19)

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Pressemitteilung vom 6. April 2022

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