Mit Urteil vom 23.03.2022 hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen den Normenkontrollantrag einer Betreiberin von Sonnenstudios gegen die in der Neunzehnten und Zwanzigsten Coronaverordnung bis zum 30. November 2020 angeordneten Betriebsschließungen abgelehnt (Az.: 1 D 349/20). Dabei handelte es sich um die erste Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in einem Corona-Hauptsacheverfahren; weitere Hauptsacheverfahren sind bereits terminiert.

Die Antragstellerin hatte im Wesentlichen geltend gemacht, für die Schließungsanordnungen fehle es bereits an einer tragfähigen Ermächtigungsgrundlage. Zudem sei die Betriebsschließung auch unverhältnismäßig; insbesondere sei sie zur Reduzierung der Neuinfektionen ungeeignet gewesen, da in Sonnenstudios kein einziger Infektionsfall hätte nachgewiesen werden können. Sonnenstudios stellten keine Gefahrenquelle dar und hätten mit dem erheblichen Anstieg der Neuinfektionen im Herbst 2020 nichts zu tun gehabt.


Der zuständige 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat an seiner bereits in zahlreichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vertretenen Auffassung festgehalten, dass für die angegriffene Verordnung mit § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage bestehe, die auch zu Betriebsschließungen ermächtige. Die Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, die als offene Generalklausel ausgestaltet sei, habe auch im November 2020 noch dem Parlamentsvorbehalt genügt, also dem Gebot, dass grundlegende Entscheidungen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst
getroffen werden müssen. Im Rahmen unvorhergesehener Entwicklungen könne es aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten sein, nicht hinnehmbare gravierende Regelungslücken jedenfalls für einen Übergangszeitraum insbesondere auf der Grundlage von Generalklauseln zu schließen. Bei der Pandemie handele es sich um ein so außergewöhnliches und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispielloses Ereignis, dass der Bundesgesetzgeber jedenfalls in dem Zeitraum bis November 2020 noch keine speziellere Ermächtigung für die angefochtenen Betriebsschließungen vorsehen musste.


Die in der Neunzehnten und Zwanzigsten Coronaverordnung angeordnete Schließung von Sonnenstudios für den Publikumsbetrieb sei rechtmäßig gewesen, insbesondere verhältnismäßig. Damit habe die Antragsgegnerin den legitimen Zweck verfolgt, die exponentiell angestiegene Ausbreitungsgeschwindigkeit der Krankheit COVID-19 zu verringern und damit Leib und Leben jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt sowie die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitssystems zu schützen. Zur Erreichung dieses Zwecks sei es ein geeignetes Mittel, im Rahmen eines Gesamtkonzepts u. a. Kontakte zwischen Menschen, zu denen es auch in einem Sonnenstudio komme, zu verhindern. Dabei sei auf den Kenntnisstand der Verordnungsgeberin im Geltungszeitraum der angefochtenen Regelungen – hier: November 2020 – abzustellen. Da das Robert Koch-Institut damals festgestellt habe, dass mehr als 75% der Infektionen nicht mehr nachvollzogen werden konnten, führe der Vortrag der Antragstellerin, dass noch kein Infektionsfall in einem Sonnenstudio habe nachgewiesen werden können, nicht zur Ungeeignetheit der Maßnahme. Vielmehr habe die Antragsgegnerin davon ausgehen dürfen, dass die Vermeidung zwischenmenschlicher Kontakte (auch) in Sonnenstudios ein wirkungsvolles Mittel zur Reduzierung des Infektionsgeschehens darstelle. Auch der Betrieb mit einem Hygienekonzept wäre verglichen mit der vollständigen Schließung keine gleich geeignete Maßnahme gewesen.

Schließlich habe das Betriebsverbot für Solarien, das Individual- und Gemeinschaftsgütern von höchstem verfassungsrechtlichen Rang diene, nicht unverhältnismäßig in das Grundrecht auf freie Berufsausübung eingegriffen. Das Verbot sei bis zum 30.11.2020 befristet gewesen und habe der fortlaufenden Evaluationspflicht der Verordnungsgeberin unterlegen. Der Eingriff sei zudem dadurch gemildert worden, dass den Betroffenen durch die sogenannten „Novemberhilfen“ umfangreiche Ausgleichszahlungen zur Verfügung gestanden hätten.


Die angegriffene Vorschrift verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Soweit einzelne Geschäfte des Einzelhandels wieder hätten öffnen dürfen, liege kein zur Gleichbehandlung verpflichtender wesensgleicher Sachverhalt vor. Jedenfalls sei der der Verordnungsgeberin zustehende Gestaltungsspielraum nicht überschritten worden.


Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen. Das Urteil ist auf der Homepage des Ge-richts abrufbar.


OVG Bremen, Urteil vom 23.03.2022 (Az.: 1 D 349/20)

Quelle: Oberverwaltungsgericht Bremen, Pressemitteilung vom 8. April 2022

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