Mit Entscheidung vom 26. April 2022 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Antrag eines gemeinnützigen Vereins auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Vorschriften der Gemeindeordnung zum Einsatz und Betrieb elektronischer Wasserzähler abgewiesen. Die Regelungen verletzen insbesondere nicht die Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung, auf informationelle Selbstbestimmung und auf körperliche Unversehrtheit betroffener Wohnungsinhaber.


I.

Gegenstand des Popularklageverfahrens sind die Regelungen der Art. 24 Abs. 4 und Art. 94 Abs. 4 der Gemeindeordnung (GO). Sie betreffen den Einsatz und den Betrieb elektronischer Wasserzähler durch gemeindliche Einrichtungen der Wassevrersorgung und durch Wasserversorgungsunternehmen in Privatrechtsform, an denen die Gemeinde beteiligt ist. Danach können gemeindliche Wasserversorgungsunter-nehmen in Satzungen über den Anschluss- und Benutzungszwang zum Einsatz und Betrieb elektronischer Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul berechtigt werden (Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO). Hierzu sind Regelungen zur Datenspeicherung und

-verarbeitung zu beachten (Art. 24 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 GO). Soll ein Wasserzähler mit Funkmodul eingesetzt werden, besteht ein zweiwöchiges Widerspruchsrecht des Gebührenschuldners und des Eigentümers des versorgten Objekts (Art. 24 Abs. 4 Satz 5 GO). Übt einer der Berechtigten das Widerspruchsrecht fristgerecht aus, darf ein elektronischer Wasserzähler nicht unter Verwendung der Funkfunktion betrieben werden (Art. 24 Abs. 4 Satz 6 GO). Kein Widerspruchsrecht besteht, soweit in einem versorgten Objekt mehrere Einheiten einen gemeinsamen Wasserzähler haben (Art. 24 Abs. 4 Satz 7 BV). Bei Wasserversorgungsunternehmen in Privatrechtsform hat die Gemeinde abhängig vom Umfang ihrer Beteiligung für die entsprechende An-wendung des Widerspruchsrechts Sorge zu tragen bzw. darauf hinzuwirken (Art. 94 Abs. 4 GO).

Der Antragsteller ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hessen, der sich nach eigenem Vorbringen gegen die Auswirkungen der Mobilfunktechnik und an-derer elektromagnetischer Felder auf die menschliche Gesundheit und die Natur wendet. Nach seiner Auffassung verletzen die angegriffenen Regelungen Grundrechte der Bayerischen Verfassung, insbesondere die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die Vorschriften schafften die gesetzlichen Voraussetzungen für einen „funktechnischen Lauschangriff“ in der Wohnung. Der Einsatz der Funkwasserzähler ermögliche das Auslesen der Daten außerhalb der Wohnung, ohne dass die Verbraucher davon etwas mitbekämen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen in ihrer Langzeitwirkung seien noch weitgehend unerforscht.

Der Bayerische Landtag und die Bayerische Staatsregierung halten die Popularklage für jedenfalls unbegründet.


II.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Popularklage abgewiesen. Art. 24 Abs. 4 und Art. 94 Abs. 4 GO sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar.

Bei der Bewertung ist davon auszugehen, dass die angegriffenen Vorschriften den Einsatz und Betrieb elektronischer Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul nur partiell regeln. Anforderungen an die Geräte und an den Datenschutz im Zusammenhang mit ihrer Verwendung sind daneben in anderen Rechtsnormen festgelegt, wie z. B. dem Mess- und Eichgesetz, der Verordnung über Heizkostenabrechnung und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die beanstandeten Bestimmungen treten zu diesem bestehenden Regelwerk ergänzend hinzu.

Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 106 Abs. 3 BV) wird durch die angegriffenen Vorschriften nicht verletzt. Das Anbringen des Zählers erfordert nur ein kurzzeitiges Betreten durch die beauftragten Personen und ist mit dem Wohnungsinhaber abzustimmen. In aller Regel ist hierzu auch kein Betreten der Wohnräume erforderlich, da die Zähler normalerweise im Keller oder im Hauswirtschaftsraum angebracht werden. Ihr Einsatz dient neben der Erleichterung der Gebührenabrechnung auch dem Schutz der Trinkwasserhygiene und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Mit Alarmmeldungen können aus hygienischer Sicht problematische Wasserrückflüsse in das Leitungssystem und ähnliche Ereignisse schneller lokalisiert und behoben werden als dies mit herkömmlichen Wasserzählern möglich wäre. Hierdurch können etwa Verkeimungen und Verschmutzungen frühzeitig unterbunden werden. Dass der zum Schutz dieser hochrangigen Rechtsgüter verpflichtete Gesetzgeber dem Wohnungsinhaber entsprechende Duldungspflichten auferlegt, ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 100, 101 BV) wird ebenfalls nicht verletzt. Der Einsatz elektronischer Wasserzähler dient insbesondere dem Schutz der Trinkwasserhygiene, erleichtert die Abrechnung und erhöht auch für den Anschlussnehmer die Transparenz. Die Datenspeicherung und -verarbeitung ist ausdrücklich auf den zur Erfüllung der Pflichtaufgabe der Wasserversorgung und den zur Gewährleistung der Betriebssicherheit und Hygiene der gesamten Wasserversorgungseinrichtung notwendigen Umfang beschränkt (Art. 24 Abs. 4 Satz 2 GO). Die hiervon erfassten Daten werden nicht heimlich erhoben und weisen keine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz auf. Die Zweckbindung der Datenverarbeitung ist ausreichend klar in der Vorschrift selbst festgelegt, daneben gelten die Bestimmungen der Daten-schutz-Grundverordnung. Das zeitlich begrenzte, ansonsten voraussetzungslose Widerspruchsrecht nach Art. 24 Abs. 4 Sätze 5 bis 7 GO ermöglicht es den Berechtigten zudem, den Betrieb eines elektronischen Wasserzählers unter Verwendung der Funkfunktion und damit die Datenübertragung über das Funkmodul abzuwenden. Es besteht zusätzlich zu dem unmittelbar durch Art. 21 DSGVO gewährleisteten Widerspruchsrecht für Personen aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation er-geben, und lässt dieses unberührt.

Ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 100, 101 BV) ist nicht erkennbar. Es lässt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht feststellen, dass von elektronischen Funkwasserzählern relevante Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf das psychische Wohlbefinden ausgehen, die vom Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst sind. Die von den Zählern ausgehende elektromagnetische Strahlung ist deutlich geringer als bei der Nutzung eines Mobiltelefons und nimmt mit zunehmender Entfernung zur Quelle rasch ab. Nochmals geringer ist die tatsächlich auf Menschen einwirkende Strahlungsleistung. Funkwasserzähler befinden sich in der Regel in abgeschirmten, von Personen nur selten betretenen oder genutzten Bereichen des Anwesens und senden nicht dauerhaft, sondern nur mit einer kurzen Sendedauer bei geringer Sendeleistung.

Auch eine Verletzung anderer Grundrechte der Bayerischen Verfassung oder des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ist nicht feststellbar. Insbesondere entspricht Art. 24 Abs. 4 GO den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Normenklarheit und -bestimmtheit und verstößt im Hinblick auf die Ausgestaltung des Widerspruchsrechts nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV).

Quelle. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Pressemitteilung vom 2. Mai 2022

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