Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen hat mit Beschluss vom 10.05.2022 die Haftbefehle gegen drei Angeschuldigte wegen des Verdachts des Mordes aufgehoben. Die zuständige Kammer des Landgerichts Bremen hatte dem Strafsenat des OLG die Akten zur Prüfung der weiteren Anordnung der Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus vorgelegt. Diese Frist wurde bei einem Angeschuldigten am 19.04.2022, bei den anderen beiden Angeschuldigten am 30.04.2022 erreicht. Die Kammer beabsichtigte, am 30.05.2022 mit der Hauptverhandlung zu beginnen. Der Strafsenat sah hierin eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebotes in Haftsachen und hat deshalb die Haftbefehle aufgehoben.

Zur Begründung hat der Strafsenat u.a. ausgeführt, dass trotz des erheblichen Umfangs und der rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens die Kammer mit Ablauf der ersten Februarwoche 2022 eine Entscheidungsreife für eine Eröffnungsentscheidung vorgelegen habe. Auf die Frage des dringenden Tatverdachts ist der Senat nicht eingegangen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hatte zwar ebenfalls die Aufhebung der Haftbefehle beantragt, ihren Antrag aber auf einen – aus ihrer Sicht – fehlenden dringenden Tatverdacht angesichts der unklaren aktuellen Beweislage gestützt.

Die Kammer hat sich mit der Vorlage der Akten an den Strafsenat am 14.04.2022 ausführlich zu den Gründen für die Dauer der Prüfung der Eröffnungsentscheidung geäußert und dabei auszugsweise Folgendes dargelegt:

„(…) Die Einarbeitung in das umfangsreiche Verfahren gestaltete sich angesichts der oben dargelegten Belastung der Kammer, des Umfangs der Akte und der zu prüfenden Rechtsfragen als äußerst schwierig. Alleine die Hauptakte enthält mittlerweile ca. 2.200 Blatt. Hinzukommen eine Vielzahl von Sonderakten und Sonderheften. Der aktuelle Papierbestand der Akte beträgt etwa 4.200 Blatt. Hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten wird auf die Ausführungen zum dringenden Tatverdacht unter Ziffer 1. b) verwiesen. Nach der Anklageerhebung sind eine Vielzahl von Nachsendungen von Ermittlungsergebnissen (etwa Zeugenvernehmungen, insbesondere auch die des Zeugen …, Durchsuchungsberichte, Auswertung von sichergestellten Asservaten, DNA-Gutachten) zur Akte gelangt. Aktuell wird noch der WhatsApp-Verkehr des Angeschuldigten … sowie die Auswertung eines sichergestellten Computers durchgeführt. (…). Am 11. April 2022 fand zudem eine erneute – erfolglose – Suche nach den noch fehlenden Leichenteilen statt.

(…) Die Kammer hat in dem Verfahren Hauptverhandlungstermine ab dem 14.04.2022 (bis zum 30.06.2022) abgesprochen. Vorbehaltlich der Eröffnungsentscheidung erscheint aus Sicht der Kammer angesichts der erforderlichen Planung und Vorbereitung der Beginn der Hauptverhandlung ab Ende Mai 2022 realistisch, Insoweit könnten die vereinbarten Hauptverhandlungstermine vom 30.05.2022, 02.06.2022, 03.06.2022, 07.06.2022, 08.06.2022, 10.06.2022, 17.06.2022, 22.06.2022, 28.06.2022 und 30.06.2022 genutzt werden. Nach gegenwärtiger Einschätzung dürften diese Termine indes nicht ausreichen, so dass vorsorglich weitere Termine vereinbart werden sollen. (…)“

Der Strafsenat hat in seinem Beschluss dem Landgericht außerdem angelastet, einer Überlastung der Kammer nicht durch eine Änderung der Geschäftsverteilung entgegengewirkt zu haben. Tatsächlich hatte das Präsidium des Landgerichts aber mit der Geschäftsverteilung zum 01.01.2022 eine Änderung vorgenommen, die der Kammer die benötigte Entlastung verschaffen sollte. Indes ging das vorliegende Verfahren genau einen Werktag vor dem Greifen der Entlastung, nämlich am 30.12.2021 bei der Kammer ein.

Quelle: Landgericht Bremen, Pressemitteilung vom 18. Mai 2022

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