Die Bundesanwaltschaft hat aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs die türkische Staatsangehörige Özgül E. den deutschen Staatsangehörigen Serkan K. sowie den türkischen Staatsangehörigen Ihsan C. festnehmen lassen. Die Festnahme von Özgül E. erfolgte am 16. Mai 2022 in Heidelberg, die Festnahme von Serkan K. am 17. Mai 2022 in Hamburg und die von Ihsan C. gestern (18. Mai 2022) in Bochum. Zudem wurde bei den Beschuldigten durchsucht. Eingesetzt waren Beamte des mit den Ermittlungen beauftragten Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei sowie des Landeskriminalamts Hamburg und des Polizeipräsidiums Rheinland-Pfalz.

Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP-C)“ beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

In den Haftbefehlen wird den Beschuldigten im Wesentlichen folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

1. Die DHKP-C hat es sich zum Ziel gesetzt, den türkischen Staat mittels eines „bewaffneten Kampfes“ zu beseitigen und durch ein marxistisch-leninistisches Regime unter ihrer Kontrolle zu ersetzen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1994 bis in die jüngste Vergangenheit hat die Gruppierung in der Türkei zahlreiche Tötungsdelikte begangen sowie eine Vielzahl von Brand- und Sprengstoffanschlägen verübt. Dabei hat sie wiederholt auch Selbstmordattentäter eingesetzt. Die DHKP-C verfügt in Europa über eine Auslandsorganisation, die sie als „Rückfront“

unter anderem zur Finanzierung ihrer terroristischen Aktivitäten, zur Rekrutierung und Ausbildung von Kämpfern, zur Beschaffung von Waffen und sonstiger militärischer Ausrüstung sowie als sicheren Rückzugsraum für ihre Mitglieder nutzt.

2. Özgül E. war spätestens seit Januar 2003 in der DHKP-C aktiv. Bis April 2004 hatte sie eine leitende Position im zentralen Pressebüro der Vereinigung im Amsterdam inne. Dort sorgte sie mittels Anweisungen an weitere Mitarbeiter für die Weiterleitung organisationsinterner Mitteilungen und Berichte. Weiter nahm sie Gelder, die für das Pressebüro oder andere Bereiche der Vereinigung bestimmt waren, entgegen und war in die Übermittlung von gefälschten Ausweisdokumenten eingebunden. Im Juni 2014 organisierte Özgül E. federführend ein Konzert in Deutschland, an dem Aktivisten und Funktionäre der DHKP-C teilnahmen und dessen Erlöse ebenfalls der Organisation zuflossen. Zwischen Dezember 2015 bis mindestens Februar 2016 übernahm die Beschuldigte im Raum Istanbul verschiedene Aufgaben für die DHKP-C. Hierzu gehörten Schulungsmaßnahmen für Vereinigungsmitglieder, die Durchführung von Propagandaaktionen sowie die Erstellung von Pressekolumnen und von Programmen zur Ausbildung von Guerillakriegern. Spätestens ab Januar 2017 war die Beschuldigte als „Deutschlandverantwortliche“ in der Bundesrepublik eingesetzt. In dieser Funktion koordinierte und überwachte sie insbesondere die Beschaffung von Finanzmitteln (etwa über Spendensammlungen oder den Verkauf des wöchentlich erscheinenden Parteiblatts) und die Organisation von Veranstaltungen für die Vereinigung. Auch von Deutschland aus half Özgül E. bei der Beschaffung gefälschter Ausweispapiere. Zudem beteiligte sie sich an der Erschließung von Schleusungsmöglichkeiten für verdeckt agierende Vereinigungsmitglieder. Noch bis Februar 2022 nahm sie an verschiedenen Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C im Bundesgebiet teil.

3. Serkan K. betätigte sich jedenfalls zwischen Sommer 2014 und Dezember 2018 in Deutschland für die DHKP-C. Zunächst war er Mitglied eines Jugendkomitees der Vereinigung. Ab Sommer 2015 agierte er als „Gebietsverantwortlicher“ im Raum Hamburg und zeitweise als „Regionsverantwortlicher“ für die DHKP-C-Region „Nord“, bestehend aus den Gebieten Hamburg, Bremen und Berlin. In den beiden letztgenannten Funktionen stand der Beschuldigte mit den ihm jeweils nachgeordneten Kadern und Aktivisten in engem Kontakt, gab ihnen Anweisungen und ließ sich über die Entwicklungen in den Gebieten unterrichten. Dabei trug Serkan K. dafür Sorge, dass Weisungen der übergeordneten Deutschland- und Europaführung der DHKP-C umgesetzt wurden. Diesen Organen gegenüber war er selbst berichtspflichtig. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit als „Regionsverantwortlicher Nord“ bildeten die Beschaffung und Weiterleitung von Finanzmitteln für die Vereinigung, Schulungen von Mitgliedern und Aktivisten sowie die Durchführung von Propagandaaktivitäten zugunsten der DHKP-C und deren Tarnvereinen. Darüber hinaus war der Beschuldigte mit der Beschaffung gefälschter Ausweispapiere und der Suche nach Schleusungsmöglichkeiten für verdeckt agierende Vereinigungsmitglieder befasst. Auch nachdem er im Februar

2017 seine Kaderfunktion in der Region „Nord“ aufgegeben hatte, beteiligte sich Serkan K. bis Ende 2018 an diversen Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C im Bundesgebiet.

4. Ihsan C. fungierte spätestens seit September 2015 als „Regionsverantwortlicher“ der DHKP-C für die Region „Süd“, bestehend aus den Gebieten Frankfurt/Darmstadt, Saarbrücken, Stuttgart, Ulm, München, Augsburg und Nürnberg. In diesem Zusammenhang stand er mit den ihm jeweils nachgeordneten Gebietsleitern in engem Kontakt, gab ihnen Anweisungen und ließ sich über die Entwicklungen in den Gebieten unterrichten. Dabei setzte der Beschuldigte Weisungen der übergeordneten Deutschland- und Europaführung der DHKP-C um, denen gegenüber ihm eine Berichtspflicht oblag. Zu seinem Aufgabenbereich gehörten die Beschaffung und Weiterleitung von Finanzmitteln für die Vereinigung, Schulungen von Mitgliedern und Aktivisten sowie die Durchführung von Propagandaaktivitäten zugunsten der DHKP-C und deren Tarnvereinen. Zusätzlich war Ihsan C. in die Beschaffung gefälschter Ausweispapiere für verdeckt agierende Vereinigungsmitglieder und die Suche nach konspirativen („sauberen“) Wohnungen in seiner Region involviert. Auch nachdem er im Mai 2017 seine Kaderfunktion in der Region „Süd“ aufgegeben hatte, beteiligte sich Ihsan C. bis Februar 2022 an diversen Propagandaveranstaltungen mit Bezügen zur DHKP-C im Bundesgebiet.

Özgül E. wurde am 17. Mai 2022 dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt. Die Vorführung von Serkan K. und Ihsan C. erfolgte gestern (18. Mai 2022). Der Ermittlungsrichter hat den Beschuldigten den Haftbefehl eröffnet und gegen alle den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet.

Quelle: Generalbundesanwalt, Pressemitteilung vom 19. Mai 2022

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