Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Urteil vom 31. Mai 2022 – 2 C 319/20 – einem Normenkontrollantrag eines saarländischen Restaurantbetreibers stattgegeben und festgestellt, dass die in einer von Anfang bis Mitte November 2020 (02.11.2020 bis 15.11.2020) geltenden Vorschrift der damaligen Corona-Verordnung[1] angeordnete Betriebsschließung für gastronomische Unternehmen unwirksam war. Nach Auffassung des zuständigen Senats war die im sogenannten 2. Lockdown im Herbst 2020 erlassene Regelung formell rechtswidrig, weil sie nicht auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhte. Denn die auf der Grundlage des früheren Infektionsschutzgesetzes des Bundes[2] angeordnete Betriebsuntersagung für die Gastronomie genügte in dem hier maßgeblichen Zeitraum nicht (mehr) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebots aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Außerdem sei der Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG von einer erheblichen Intensität gewesen.

Nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Hierzu führt das Oberverwaltungsgericht aus, dass die Übergangszeit, in der aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls ein Rückgriff der Verwaltung auf Generalklauseln möglich sei, jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt Oktober/November 2020 bereits abgelaufen gewesen sei. Dem Gesetzgeber wäre es möglich gewesen, jedenfalls bis zur parlamentarischen Sommerpause oder spätestens unmittelbar danach die erforderliche spezielle parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingten Betriebsschließungen für Gastronomieunternehmen zu erlassen. In Anbetracht der Eingriffstiefe und -breite habe eine Pflicht zum Tätigwerden des parlamentarischen Gesetzgebers bereits in den auf die ersten, im März und April 2020 ergriffenen Maßnahmen folgenden Wochen bis zur parlamentarischen Sommerpause, spätestens aber unmittelbar danach bestanden. Das Infektionsschutzgesetz sei aber vom Bundesgesetzgeber erst Mitte November 2020, also nach dem Inkrafttreten der hier streitigen Verordnung, mit den entsprechenden weitreichenden Rechtsfolgen ausgestattet worden. Die angegriffene Verordnungsregelung vom 30.10.2020 habe daher in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis Mitte November 2020 gemessen an den Anforderungen des Wesentlichkeitsprinzips beziehungsweise des sich daraus ergebenden Parlamentsvorbehalts nicht mehr auf einer den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Ermächtigungsgrundlage beruht.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.


[1] § 7 Abs. 1 Satz 1 der Rechtsverordnung der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30.10.2020 (Amtsbl. 2020 I, 1046 vom 31.10.2020); nach § 14 Abs. 2 VO-CP gültig bis zum 15.11.2020

[2] §§ 28, 32 IfSG a.F. des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Men­schen – Infektionsschutzgesetz –, vom 20.07.2000, zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz vom 18.03.2022 (BGBl. I, 473)

Quelle: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Pressemitteilung vom 14. Juni 2022

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