Bayerns Justizminister Georg Eisenreich hat heute (22. Juni) zusammen mit Rogér Pellemans, Director National Security der niederländischen Forschungsgesellschaft TNO, und dem Wiener Komplexitätsforscher Prof. Dr. Stefan Thurner, Präsident des Complexity Science Hub Vienna (CSH), eine Kooperationsvereinbarung im Münchner Justizpalast unterzeichnet. Ziel ist es, sich mit dem CSH als Partner aus dem Bereich der Blockchain-Analyse weiter für Ermittlungen im Internet zu rüsten. Justizminister 
Eisenreich
: „Kriminelle agieren länderübergreifend und verlagern ihren Handel mit verbotenen Waren wie gestohlenen Daten, Drogen, Waffen oder Kinderpornografie zunehmend auf den digitalen Schwarzmarkt. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wir setzen auf internationale Kooperationen und technische Innovation.“

 

Seit zwei Jahren unterstützen Bayerns Spezialstaatsanwälte TNO bei der Entwicklung des „Dark Web Monitor“ – einer Art Suchmaschine für das Darknet. Jetzt steigen auch Blockchain-Experten aus Wien in das gemeinsame Projekt ein. Eisenreich: „Damit sollen unsere Ermittler der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) künftig Bitcoins und anderen Kryptowährungen schneller folgen können, um die Täter zu überführen. Dies kann zu wichtigen neuen Ermittlungsansätzen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Darknet führen. Auch bei der Verfolgung illegaler Cybertrading-Plattformen könnten schon in einem frühen Stadium der Ermittlungen wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. Mit demBlockchain-Analysetool GraphSense wollen wir mehr Licht ins Darknet bringen.“

 

Was ist der „Dark Web Monitor“?

Dahinter steht eine innovative Technologie. Sie soll den Ermittlern helfen, ein genaueres Bild zu erlangen, welche Inhalte im Darknet zu finden sind und welche Querverbindungen dort bestehen. Am 27. Juli 2020 wurde dazu der Kooperationsvertrag mit der TNO unterzeichnet – das Forschungsinstitut ist in den Niederlanden das, was die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland ist. Eisenreich: „Schon jetzt hat sich das Tool als außerordentlich wertvoll erwiesen. Mehr als 1,2 Millionen Darknet-Domains konnten mit Hilfe des ‚Dark Web Monitor‘ bereits ermittelt werden. Damit erhalten wir ein besseres Bild von verschlüsselten Netzwerken, wie z. B. dem Tor-Netz. Die Erkenntnisse wurden bereits in verschiedenen Ermittlungsverfahren erfolgreich eingesetzt. Dabei ging es beispielsweise um Fälle von gefälschten Impfzertifikaten oder Kinderpornografie.“

 

Was ist GraphSense?

GraphSense ist ein Open-Source-Analysewerkzeug, mit dem Zahlungsströme in verschiedenen Kryptowährungssystemen nachvollzogen und analysiert werden können. Kryptowährungen spielen in Ermittlungsverfahren der ZCB in den unterschiedlichsten Fällen eine wichtige Rolle, insbesondere auch bei der Geldwäsche krimineller Erträge. Eisenreich: „Für jedermann einsehbare Daten auf den öffentlichen Blockchains bieten wertvolle Ermittlungsansätze. Mit GraphSense können die Spezialisten der ZCB diese Ermittlungsansätze zügig erkennen und so Täter besser überführen.“

 

Prof. Dr. Stefan Thurner erklärt: „Kryptowährungen sind komplexe Systeme, in denen unterschiedliche Akteure pseudo-anonym und mit unterschiedlichen Intentionen Werte transferieren – leider manchmal auch auf illegale Art und Weise, etwa in Zusammenhang mit Finanzbetrug oder Kindesmissbrauch. Um komplizierte Abläufe in Kryptowährungs-Netzwerken zu verstehen und illegale Transaktionen effektiv nachzuvollziehen, brauchen wir ‚Köpfe‘: Menschen, die in der Lage sind, diese Netzwerke mit geeigneten Werkzeugen zu analysieren und zu interpretieren. Es freut uns, dies in die Kooperation mit der ZCB einbringen zu können, mit dem übergeordneten Ziel, kriminelle Aktivitäten einzudämmen und Kryptowährungen am Ende für die legitime Nutzung sicherer zu machen.“

 

Rogér Pellemans (Director National Security TNO): „Cybercrime und andere Formen schwerer Kriminalität wirken aufgrund digitaler High-Tech-Möglichkeiten grenzüberschreitend. Der Kampf dagegen erfordert deshalb heutzutage internationale Zusammenarbeit und neue Technologien. Die Stärke von TNO liegt darin, Herausforderungen frühzeitig zu erkennen sowie technologische Konzepte zu entwickeln, um so die operativen Anforderungen genau zu verstehen. Der Dark Web Monitor ist eine solche Lösung, die von TNO initiiert und zusammen mit unserem Partner CFLW Cyber Strategies in eine einsatzbereite Technologie für Strafverfolgungsbehörden umgesetzt wurde. Die Ermittlungsergebnisse der letzten Jahre unterstreichen die beabsichtigte Wirkung unserer Forschungsaktivitäten. Gleichzeitig entwickelt sich der Gebrauch von Technologie durch Straftäter schnell und erfordert kontinuierliche Innovationen, um zum Kampf gegen Cyberkriminalität beizutragen. Deshalb ist diese intensive und erweiterte Zusammenarbeit so wichtig.“

 

Justizminister Eisenreich abschließend: „Der Dark Web Monitor ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Cybercrime. Mit GraphSense bekommen unsere Spezialstaatsanwälte ein weiteres Werkzeug an die Hand, das im Rahmen der Kooperation passgenau auf deren Bedürfnisse hin entwickelt werden kann. Die enge Zusammenarbeit mit den renommierten Forschungsinstitutionen TNO und CSH sorgt dafür, dass wir mit innovativen Technologien auf neuartige Kriminalitätsphänomene reagieren können.“

 

 

Hintergrund: Bayerns Cybercrime-Spezialisten

Der Freistaat geht entschlossen gegen Cybercrime vor. 

·           Bereits 2015 wurde bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) gegründet.

·           Mit der ZCB ist die bayerische Justiz gut aufgestellt – 18 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, vier IT-Spezialistinnen und Spezialisten bilden eine der größten und erfahrensten Spezialstaatsanwaltschaften Deutschlands.

·           Ihre Arbeit ist sehr erfolgreich: Allein im Jahr 2021 leitete die ZCB fast 14.000 Ermittlungsverfahren ein.

· Zum 1. Oktober 2020 wurde bei der ZCB das „Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet – kurz ZKI“ gegründet. Das achtköpfige Team von Spezialstaatsanwälten in Bamberg konzentriert sich im Netz auf Betreiber und Nutzer von Darknet-Foren. Bei jeder der 22 Staatsanwaltschaften im Freistaat gibt es zudem einen Ansprechpartner für Internetkriminalität, der die Ermittlungen vor Ort gemeinsam mit weiteren Spezialstaatsanwälten koordiniert. Dieser kann besonders komplexe und technisch schwierige Fälle an die ZCB und das ZKI weiterleiten.

Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 22. Juni 2022

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