Der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm hat in einer Bußgeldsache wegen Verstoßes gegen die Maskenpflicht auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung zu einer Geldbuße in Höhe von 50 Euro und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung in drei Fällen zu Geldbußen von 100, 200 und 600 Euro verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts hatte der Betroffene aus Paderborn in dem von ihm geführten „Betrieb“ entgegen dem damals geltenden § 3 Abs. 2 Nr. 1 Coronaschutzverordnung bei Kontrollen des Ordnungsamtes an vier aufeinanderfolgenden Tagen im Januar 2021 jeweils nicht die erforderliche Alltagsmaske getragen. Der Verstoß gegen die Verordnung war ihm jedenfalls bei den letzten drei Verstößen auch bewusst. Bei dem letzten Vorfall nahm das Amtsgericht zugleich einen weiteren Verstoß gegen die Coronaschutzverordnung an, weil der Betroffene notwendige Desinfektionsmittel nicht vorgehalten hatte.

Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte vorläufigen Erfolg.

Soweit drei Bußgelder bis 250 Euro betroffen waren, hat der insoweit zuständige Einzelrichter des Senats – wie in einer Reihe anderer Verfahren zu Bußgeldern nach der Coronaschutzverordnung – die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen und die Entscheidung dem Senat in einer Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Der Senat erkannte zunächst eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die hier in Rede stehende Maskenpflicht. Mit der in §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthaltenen Ermächtigungsgrundlage hat der Gesetzgeber im Verlaufe der Pandemie die Schaffung einer Rechtsverordnung ermöglicht, mit der das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an bestimmten Orten angeordnet werden konnte („Maskenpflicht“). Auf dieser Grundlage hat § 3 Abs. 2 Nr. 1 Coronaschutzverordnung NRW in der Fassung vom 30.11.2020 eine Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske vorgesehen, und zwar unabhängig von der Einhaltung eines Mindestabstands in geschlossenen Räumlichkeiten im öffentlichen Raum, soweit diese – mit oder ohne Eingangskontrolle – auch Kundinnen und Kunden bzw. Besucherinnen und Besuchern zugänglich waren.

Der Senat hat dabei weder einen Verstoß gegen den aus Art. 80 Abs. 1 Grundgesetz (GG) folgenden Parlamentsvorbehalt, gegen das Bestimmtheitsgebot noch etwa gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angenommen. Letzteres hat der Senat insbesondere damit begründet, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht in das durch Art. 2 Abs. 2 GG garantierte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingreift. Denn mit dem sachgerechten Tragen einer entsprechenden Bedeckung gehen gesundheitliche Risiken nicht einher. Soweit in der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zwar grundsätzlich ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu sehen ist, so ist die damit verbundene Belastung des Einzelnen als eher geringfügig anzusehen. Aus Sicht des Senats kam hinzu, dass in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Coronaschutzverordnung NRW nicht etwa eine generelle Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum angeordnet worden ist, sondern die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung die Mehrzahl der Betroffenen nur für eine kurze Zeit und lediglich in bestimmten Alltagssituationen (Einkäufe usw.) betroffen hat. Die Verpflichtung war also in räumlicher und zeitlicher Hinsicht auf bestimmte Situationen beschränkt, bei denen es zudem der Normadressat in vielen Fällen selbst in der Hand hat, ob und für welchen Zeitraum er sich in eine solche Situation begibt.

Der Senat hat das Urteil des Amtsgerichts dennoch aufgehoben, da ausreichende Feststellungen, die dem Senat erlauben, das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale zu überprüfen, vom Amtsgericht nicht getroffen worden waren. So war dem Urteil insbesondere nicht zu entnehmen, ob es sich bei den in Rede stehenden Räumen um solche Betriebsräume handelte, die als „öffentlicher Raum“ im Sinne der Coronaschutzverordnung einzuordnen sind und ob diese auch – wie von der herangezogenen Vorschrift gefordert – dem Kundenverkehr zugänglich waren.

Nach einer erneuten Verhandlung wurde der Betroffene vom Amtsgericht Paderborn erneut wegen eines fahrlässigen und dreier vorsätzlicher Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung zu Geldbußen von 50, 100, 200 und nunmehr nur noch 400 Euro verurteilt. Das Amtsgericht hat dabei festgestellt, dass der Betroffene sich in seinem Handyshop jeweils in dem für den Kundenverkehr bestimmten Verkaufsraum aufhielt und neben dem Betroffenen jeweils Kunden oder Mitarbeiter anwesend waren, die ebenfalls keine Masken trugen. Der Betroffene wurde von den Mitarbeitern des Ordnungsamtes jeweils auf die von ihm abgelehnte Maskenpflicht hingewiesen, weshalb das Amtsgericht ab dem zweiten Fall von Vorsatz ausging und wegen des uneinsichtigen Verhaltens die Geldbußen für die nachfolgenden Verstöße entsprechend erhöht hat. Der gleichzeitige Verstoß gegen eine Verpflichtung zum Vorhalten von Desinfektionsmitteln hat sich indes bei der neuen Verhandlung nicht bestätigt, so dass das Bußgeld für den vierten Verstoß geringer ausfiel als im ersten Urteil.

Die Entscheidung des 4. Bußgeldsenats ist auf www.nrwe.de Sprung in einen anderen Internetauftritt veröffentlicht.

Vorinstanz: Amtsgericht Paderborn, Urteil vom 10.08.2021, nachgehend: Amtsgericht Paderborn, Urteil vom 14.04.2022 Az. jeweils 74 OWi 71/21

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, Pressemitteilung vom 27. Juli 2022

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