Mit einem heute den Beteiligten bekanntgegebenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Dresden das vom Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge als Antragsgegner verfügte Verbot eines Straßentheaters bestätigt (Az. 6 L 605/22).

Die Partei „Freie Sachsen“ hat für den kommenden Montag, 15. August 2022, (erneut) zu einer Versammlung unter dem Motto „Regierungsrücktritt – jetzt!“ in Heidenau aufgerufen. Dabei soll in Form eines Straßentheaters der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vom „Volk“ angeklagt und verurteilt werden, 16 Wochen auf dem örtlichen Marktplatz am Pranger zu stehen. Die Versammlungsbehörde des Antragsgegners hatte bereits für eine Versammlung der Partei am 8. August 2022 kurzfristig die Aufführung dieses Straßentheaters bei einer Kundgebung kurzfristig untersagt; insoweit ist hier eine Klage (Hauptsacheverfahren, Az.: 6 K 1575/22 – siehe dazu die Medieninformation des Gerichts vom 9. August 2022 ) anhängig. Die Versammlung am 8. August 2022 wurde in sozialen Medien mit einem Video beworben. Darin wurde eine offensichtlich den Bundeswirtschaftsminister darstellende Person als Gefangener in einem Lieferwagen dargestellt, bekleidet mit einem orangefarbenen Overall, in Handschellen und mit einem Sack über dem Kopf. Bei der Anzeige der Versammlung am 15. August 2022 hat der Anmelder der Versammlungsbehörde mitgeteilt, das bereits für den 8. August 2022 vorgesehene Straßentheaterstück „Habecks Prozess“ wie geplant aufführen zu wollen.  

Die Versammlungsbehörde des Landkreises hat die angezeigte Versammlung bestätigt und u. a. folgende Auflagen festgesetzt:

„10. Wegen der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist es den Rednern und Versammlungsteilnehmern untersagt, Äußerungen zu tätigen, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, die zur Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens aufstacheln und die Menschenwürde anderer verletzen, selbst wenn die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten sein sollte. Darunter fällt insbesondere das Skandieren und Darstellen der Anklageschrift, Verurteilung und prozessualen Behandlung von Personen des politischen Lebens im Rahmen des Straßentheaters „Habecks Prozess“.

11. Das Mitführen von Kundgebungsmitteln zum Zweck der Durchführung des Straßentheaters, insbesondere Puppen, symbolische „Pranger“ oder anderer Gegenstände sowie Tonaufnahmen, die der Darstellung „Habecks Prozess“ dienen, ist untersagt und daher zu unterlassen.“

Dagegen hat die Partei „Freie Sachsen“ als Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht ersucht und geltend gemacht, die Auflagen seien unverhältnismäßig und verletzten die Meinungs- und die Kunstfreiheit sowie die Versammlungsfreiheit.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag im Wesentlichen abgelehnt.

Soweit der Antragsgegner die Aufführung des Straßentheaters in der geplanten Form untersagt habe, sei dies rechtmäßig. Nach § 15 Abs. 1 Sächsisches Versammlungsgesetz könne die zuständige Behörde eine Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit liege insbesondere bei einem drohenden Verstoß gegen Strafgesetze vor. Das betreffe auch die Tatbestände der Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch), insbesondere auch, wenn sich diese gegen Personen des öffentlichen Lebens richteten (§ 188 Strafgesetzbuch). Bei den genannten Delikten sei im politischen Meinungskampf allerdings zu beachten, dass übertreibende und verallgemeinernde Kennzeichnungen ebenso hinzunehmen sind wie einseitig gefärbte Stellungnahmen. Die Grenze zulässiger politischer Meinungsäußerungen finde sich dort, wo wahrheitswidrig ehrenrührige Tatsachen behauptet und verbreitet würden oder es sich um Schmähkritik handele, mit der keine Auseinandersetzung in der Sache gesucht werde, sondern die Diffamierung und Verächtlichmachung der Person im Vordergrund steht, wenn also eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung habe und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher gehe. Das betreffe Fälle, in denen der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt werde. In diesen Fällen habe das Grundrecht der Meinungsfreiheit hinter dem ebenfalls betroffenen Grundrecht des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zurückzustehen.

Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung auch die Bewerbung der Versammlung durch ein Video zugrunde gelegt. Die dortige Darstellung lasse die Assoziation zu Guantanamo-Bay-Häftlingen aufkommen und erinnere an die Auffindesituation von ermordeten Personen des öffentlichen Lebens in Kofferräumen von Fahrzeugen. In Zusammenschau mit der geplanten Darstellung eines „Prozesses“, in dessen Ergebnis der Bundeswirtschaftsminister vom „Volk“ zu einer Prangerstrafe verurteilt werde, würden möglicherweise Strafgesetze verletzt. Naheliegend sei, dass der Bundeswirtschaftsminister durch die Form der Darstellung beleidigt werde, weil die Darstellung die Kundgebung der Nicht- und Missachtung seiner Person zum Ziel habe. Durch die geplante Form der Darstellung werde er herabgewürdigt und zum bloßen Objekt eines „Prozesses“ degradiert, in dessen Ergebnis er der öffentlichen Schmähung am Pranger ausgesetzt werde. Anders als die Antragstellerin meine, könne kein Vergleich mit Darstellungen von Politikern am Pranger im Straßenkarneval gezogen werden. Solche Darstellungen stünden dort in einem humoristischen Kontext, was bei der geplanten Veranstaltung nicht der Fall sei. Möglicherweise sei auch der Tatbestand der Störung des öffentlichen Friedens wegen der Darstellung einer Entführung verletzt (§ 126 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 239a Strafgesetzbuch). Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die drastische Darstellung einer Abrechnung mit der Regierungspolitik, konkretisiert am Bundeswirtschaftsminister, dazu führt, dass sich Versammlungsteilnehmer berufen fühlten, Darstellungen der geplanten Art in die Tat umzusetzen. Dies belege die geplante Entführung des Bundesgesundheitsministers. Dass Worte auch zur Gewalt führen können, erlebten gerade Lokalpolitiker in vielfältiger Weise. Belegt sei dies nicht zuletzt auch durch den Mord an dem Regierungspräsidenten im Regierungsbezirk Kassel Walter Lübcke am 2. Juni 2019, den ein Rechtsextremist verübt habe. Es bestünde auch die Möglichkeit, dass wegen der geplanten Verwendung einer Audiosequenz weitere Straftatbestände verletzt seien, da die Staatsanwaltschaft Dresden insoweit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe.

Es bleibe der Antragstellerin unbenommen, ihre Kritik am Regierungshandeln und / oder an Maßnahmen des Bundeswirtschaftsministers auch in der darstellenden Form eines Straßentheaters zu äußern und zu diesem Zweck auch dafür bestimmte Gegenstände als Kundgebungsmittel mitzuführen. Allerdings dürfe die Antragstellerin dabei keine Darstellungsform wählen, bei der der Bundeswirtschaftsminister herabgewürdigt und zum Objekt eines „Prozesses“ gemacht werde; zu diesem Zweck dürften auch keine Gegenstände (Pranger und ähnliche Gegenstände, zugehörige Audiosequenz) mitgeführt werden.

Erfolg hatte die Antragstellerin dagegen in Bezug auf die Auflage Nr. 10 Satz 1. Die dort ausgesprochene Untersagung von Äußerungen durch Redner und Versammlungsteilnehmer sei überflüssig, weil es ohnehin verboten sei, auf Versammlungen Straftaten zu begehen. Im Übrigen sei die Auflage auch nicht hinreichend bestimmt, weil nicht klar sei, welche Äußerungen konkret unterlassen werden sollten. Es obliege den Behörden, namentlich des Polizeivollzugsdienstes, bei etwaigen Straftaten bei der Versammlung tätig zu werden und die erforderlichen Maßnahmen gegenüber Störern zu ergreifen.

Gegen den Beschluss können die Beteiligten binnen zwei Wochen Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht einlegen.

Quelle: Verwaltungsgericht Dresden, Pressemitteilung vom 12. August 2022

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