Bayerns Justizminister Georg Eisenreich gibt den Startschuss für das Projekt „Aufsuchende Sozialarbeit“, das zum 1. September beginnt. Ziel ist, den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen möglichst zu vermeiden. Der Minister: „Wer eine Geldstrafe nicht zahlt, dem droht in Deutschland eine Ersatzfreiheitsstrafe. Wir wollen Ersatzfreiheitsstrafen möglichst vermeiden. Denn der oder die Betroffene wurde wegen der Tat zu einer Geldstrafe und gerade nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.“

Die Justizministerinnen und Justizminister hatten auf der Frühjahrskonferenz 2016 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Neugestaltung der Ersatzfreiheitsstrafe zu untersuchen und weitere Verbesserungen der bestehenden Regelungen zur Haftvermeidung eingehend zu prüfen. Die Arbeitsgruppe hat in ihrem Abschlussbericht im Frühjahr 2019 u. a. vorgeschlagen, dass künftig mit einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr nur ein, sondern zwei Tagessätze abgegolten sind. Eisenreich: „Ich begrüße es, dass der Bund zuletzt einen Reformvorschlag vorgelegt hat, der den Vorschlag der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufgreift. Das Strafrecht allein kann das Problem aber nicht lösen. Wir wollen den Menschen gezielt professionelle Hilfe anbieten. Bayern setzt sich seit langem mit passgenauen Lösungen dafür ein, dass Ersatzfreiheitsstrafen möglichst nicht vollstreckt werden müssen. Mit Haftvermeidungsprogrammen wurden allein im vergangenen Jahr 46.000 Hafttage vermieden. Jetzt erweitern wir unser Maßnahmenbündel um einen weiteren wichtigen Baustein.“

Das Pilotprojekt „Aufsuchende Sozialarbeit“ ist bei der Staatsanwaltschaft München I angesiedelt. Nach Beauftragung durch die Staatsanwaltschaft nimmt die Gerichtshilfe bei drohender Ersatzfreiheitsstrafe in geeigneten Fällen persönlichen Kontakt mit dem Verurteilten auf. Die Gerichtshilfe berät dann zu Tilgungsmöglichkeiten und stellt bei fehlender Zahlungsfähigkeit den Kontakt zu den Vermittlungsstellen der Haftvermeidungsprogramme her.
Minister Eisenreich: „Es gibt in Bayern viele Möglichkeiten, eine drohende Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden, beispielsweise durch Ratenzahlung oder Aufnahme in die bayerischen Haftvermeidungsprogramme wie ‚Schwitzen statt Sitzen‘ oder ‚Geldverwaltung‘.“ Ab September sollen weitere Hafttage durch die Unterstützung der Gerichtshilfe vermieden werden.“ Zur Mitte kommenden Jahres ist eine erste Evaluation des Projekts geplant.

Justizminister Eisenreich: „Von unseren Maßnahmen zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen können alle profitieren: Wir unterstützen Betroffene dabei, den Überblick über ihre Finanzen zurückzugewinnen, und bewahren sie vor einer Ersatzhaft. Gleichzeitig werden die Justizvollzugsanstalten entlastet.“

Hintergrund:

Die bayerische Justiz setzt sich seit langem dafür ein, dass Ersatzfreiheitsstrafen möglichst nicht vollstreckt werden müssen. Die Maßnahmen:

  • Vor dem Hintergrund damals steigender uneinbringlicher Geldstrafen wurde im Jahr 2005 das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz ins Leben gerufen. In diesem Programm wird durch die Einschaltung von Vermittlungsstellen externer gemeinnütziger Träger und deren enge Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften die Vermittlung von Verurteilten in anrechenbare gemeinnützige Arbeit gefördert.
  • Ab September 2018 wurde zusätzlich die Möglichkeit der sog. Geldverwaltung pilotiert, ein Jahr später mit dem bisherigen Programm „Schwitzen statt Sitzen“ zu dem erweiterten Programm „Schwitzen statt Sitzen und Geldverwaltung“ zusammengefasst und flächendeckend eingeführt. In diesem erweiterten Programm wird zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, dass die Vermittlungsstellen den Verurteilten bei der Leistung von Ratenzahlungen unterstützen. Mit der Geldverwaltung soll insbesondere denjenigen Personen, bei denen – etwa aufgrund physischer oder psychischer Einschränkungen – eine Vermittlung in gemeinnützige Arbeit nicht möglich ist, Rechnung getragen werden.
  • Die bayerische Justiz ermöglicht seit mehr als 30 Jahren grundsätzlich jeder Verurteilten und jedem Verurteilten die Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Arbeit.

Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 31. August 2022

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