09:00 Uhr: BVerwG – Mündliche Verhandlung „Verbandsklagebefugnis einer Bürgerinitiative“ – 9 C 24.21

Der Kläger ist eine Bürgerinitiative in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Er hat am 12. Januar 2021 Klage gegen zwei Planfeststellungsbeschlüsse für den Bau eines Rad- und Gehweges durch das sog. Bienwald-Gebiet erhoben.  Seine Anerkennung als Umweltverband hatte der Kläger zwar vor Klageerhebung –  am 15. Dezember 2020 – beim zuständigen Landesministerium beantragt; die Anerkennung erfolgte aber erst mit Bescheid vom 3. Februar 2021, also nach Klageerhebung.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Verbandsklagebefugnis nach § 2 UmwRG sei nur denjenigen Vereinigungen zuerkannt, die bereits bei Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 3 UmwRG als Umweltvereinigung anerkannt worden seien oder deren nicht rechtzeitige Anerkennung von ihnen nicht zu vertreten sei. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Bei Einlegung des Rechtsbehelfs sei der Kläger unstreitig noch nicht anerkannt gewesen. Dies habe er auch zu vertreten, da er den Anerkennungsantrag zu spät gestellt habe. Ein Vertretenmüssen scheide nur dann aus, wenn der vollständige Antrag so rechtzeitig der Behörde übermittelt worden sei, dass bei einer regelmäßigen Verfahrensdauer von – in Anlehnung an § 75 Satz 2 VwGO – drei Monaten mit einer Entscheidung noch vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist zu rechnen sei.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Vereinbarkeit von § 2 Abs. 1 und Abs. 2 UmwRG mit den Anforderungen des Europarechts und der Aarhus-Konvention zugelassen.

09:30 Uhr: Bundesarbeitsgericht – Mündliche Verhandlung „Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach §§ 9, 10 AÜG – tarifvertragliche Erweiterung der Überlassungshöchstdauer“

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen aufgrund der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung gemäß §§ 9, 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt. Die Beklagte ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall). Der Kläger ist nicht Mitglied der Gewerkschaft IG Metall.
Der Kläger wurde vom 12. September 2011 bis zum 7. September 2013 und vom 31. März 2014 bis zum 31. Mai 2019 von verschiedenen Arbeitgeberinnen jeweils im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte überlassen. Er war als Produktionshelfer Metall in den Werken der Beklagten in B. und U. tätig.
Nach dem zwischen Südwestmetall und der IG Metall – Bezirk Baden-Württemberg, Bezirksleitung Baden-Württemberg geschlossenen Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit vom 31. Mai 2017 (TV Leiz) darf ein Einsatz im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung eine Höchstdauer von 48 Monaten nicht überschreiten. Eine bei der Beklagten bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung sieht eine Höchstdauer von 36 Monaten vor, welche für Zeitarbeitnehmer, die am 1. April 2017 bereits beschäftigt waren, ab dem 1. April 2017 zählen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, wegen Überschreitens der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten sei zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 1b, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen. Die Beklagte könne sich nicht auf die tarifliche Erweiterung der Überlassungshöchstdauer im TV Leiz berufen, da die gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG verfassungswidrig sei. Es verletze die Koalitionsfreiheit der Leiharbeitnehmer und der Tarifvertragsparteien der Verleihbranche, wenn es nur den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche überantwortet werde, inhaltliche Regelungen für die Leiharbeitsverhältnisse zu treffen. Im Übrigen handle es sich bei den Tarifverträgen auf der Grundlage von § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG nicht um Betriebsnormen, sondern um Inhaltsnormen, die direkt auf die Direktionsrechtsbefugnisse der Verleiher gegenüber den Leiharbeitnehmern einwirken sollen. Da er nicht Mitglied der IG Metall und somit nicht tarifgebunden sei, wirke diese tarifliche Regelung für ihn nicht unmittelbar und zwingend.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

10:00 Uhr: VGH Bayern – Mündliche Verhandlung „Jagdrecht – Verordnung über die Schonzeitaufhebung für die Jagd von Schalenwild“

10:00 Uhr: LG Berlin – Mündliche Verhandlung „Klage gegen das Land Berlin (Beklagter) auf Entschädigung nach dem Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz wegen Verbots des „oben-ohne“ Sonnens in einem Park“

Die Klägerin, die sich an einem Tag im Juni 2021 mit unbekleidetem Oberkörper auf dem Gelände dieses Wasserspielplatzes aufgehalten hatte, sieht sich durch das Handeln des Sicherheitsdienstes und der Polizei ihr gegenüber an diesem Tag sowie durch das Handeln der in der Folgezeit mit diesem Vorfall befassten Behörden in ihren Rechten verletzt.

 

Die Klägerin nimmt daher den Beklagten mit der beim Landgericht Berlin eingegangenen Klage auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach dem LADG in Anspruch. Das beklagte Land Berlin meint hingegen, dass keine Ansprüche der Klägerin nach dem LADG bestehen würden.

10:00 Uhr: Staatsgerichtshof Niedersachsen – Urteilsverkündung im Organstreitverfahren des Abgeordneten Wichmann wegen Verletzung seiner Rechte

Der Antragsteller ist Abgeordneter des Niedersächsischen Landtages. Er gehörte bis zu deren Auflösung im September 2020 der Landtagsfraktion der Partei AfD an und ist seitdem fraktionslos. Der Antragsteller macht geltend, dass er durch die Verweigerung von Redezeit in der Plenardebatte am 14. Dezember 2021 zu einem Thema der Aktuellen Stunde in seinen Abgeordnetenrechten verletzt worden sei. Darüber hinaus begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages keine Rechtsgrundlage dafür biete, vorzugeben, zu welchen Tagesordnungspunkten die Redezeit verwendet werden dürfe. 

Das Verfahren bietet dem Staatsgerichtshof die Möglichkeit, zu dem Umfang der verfassungsrechtlich garantierten Rechte einzelner Abgeordneter einerseits und dem Gestaltungsspielraum des Nds. Landtages bei der Ausgestaltung seiner Geschäftsordnung andererseits Stellung zu nehmen.

10:30 Uhr: VGH Bayern – Mündliche Verhandlung „ Feuerwehrrecht – Kosten für Inanspruchnahme der Feuerwehr bei Brand in Geiselwind“

11:00 Uhr: BVerwG – Mündliche Verhandlung „Wettbürosteuer für Sportwettbüros“ – 9 C 2.22 u.a.

Die drei Klägerinnen betreiben bzw. betrieben in der beklagten Stadt Dortmund Wettbüros, in denen sie Sportwetten vermitteln und – in einem der Fälle – selbst Pferdewetten als Buchmacherin veranstalten. Sie wenden sich gegen Bescheide, mit denen sie von der Beklagten zur Wettbürosteuer herangezogen worden sind.

Auf der Grundlage einer Vergnügungssteuersatzung will die Beklagte seit dem Jahr 2014 das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros besteuern. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahre 2017 dazu entschieden, dass die Erhebung einer Wettbürosteuer als örtlicher Aufwandsteuer grundsätzlich zulässig, der damals gewählte Steuermaßstab der Veranstaltungsfläche im Wettbüro aber nicht sachgerecht ist, weil der Wetteinsatz als praktikabler Wirklichkeitsmaßstab zur Verfügung steht.

Die Beklagte hat nunmehr 3% des Brutto-Wetteinsatzes als Steuermaßstab gewählt und die Rückwirkung ihrer neuen Regelung angeordnet, weil die Betreiber von Wettbüros im Stadtgebiet seit 2014 mit der Erhebung einer Wettbürosteuer rechnen müssten.

Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revisionen zugelassen im Hinblick auf die Frage, ob die Wettbürosteuer nach Änderung des Steuermaßstabs nunmehr wegen Gleichartigkeit mit der bundesrechtlich geregelten Pferde- und Sportwettensteuer unzulässig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Streitverfahren ausgesetzt im Hinblick auf beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit einer kommunalen Übernachtungssteuer, bei denen ebenfalls die Frage der Gleichartigkeit mit einer bundesrechtlichen Steuer, dort der Umsatzsteuer, zu beantworten war. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 22. März 2022 (1 BvR 2868/15 u.a.) die Verfassungsmäßigkeit von kommunalen Übernachtungssteuern bejaht. Daraufhin hat das Bundesverwaltungsgericht die ausgesetzten Verfahren wiederaufgenommen.

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