Der Hessische Minister der Justiz, Prof. Dr. Roman Poseck, hat am Freitag die hessische Bundesratsinitiative zur Entlastung zivilgerichtlicher Massenverfahren (Drucksache 342/22) in der Plenarsitzung des Bundesrates vorgestellt.

Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erklärte am Rande der Bundesratssitzung „Massenverfahren, wie Diesel- und Fluggastklagen sowie Schadensersatzforderungen in Kapitalanlageverfahren, lassen zurzeit die Verfahrenszahlen an den Gerichten in die Höhe schnellen. Die Auswirkungen sind in vielen Bereichen der Justiz spürbar. Gleichzeitig werden personelle Ressourcen an anderer Stelle dringend gebraucht, wie in der Strafjustiz. Auch die Verfahrenszeiten leiden unter der Bearbeitung von Massenverfahren und verlängern sich erheblich. Im Ergebnis führt dies zu einer enormen Unzufriedenheit aller Verfahrensbeteiligten. Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft erwarten vom Rechtsstaat, dass sie gerichtliche Entscheidungen in angemessener Zeit erlangen.“  

Hessen und andere Bundesländer haben vom Bund daher bereits mehrfach gefordert, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewältigung von Massenverfahren zu schaffen, insbesondere in der Zivilprozessordnung. Diese Forderung wurde bisher nicht gehört, sodass Hessen nun selbst eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat. „Mit dieser greift Hessen konkrete Vorschläge auf, wie Massenverfahren effizienter bearbeitet werden können. Dazu zählen beispielsweise frühzeitigere Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs sowie die Vermeidung sich wiederholender Beweisaufnahmen. Richterinnen und Richtern müssen passgenaue Instrumente an die Hand gegeben werden, mit denen sie Massenverfahren effizienter und zeitnaher bewältigen können. Die Länder können auch nicht jedes Phänomen durch zusätzliche stellen lösen. Personelle Ressourcen werden immer endlich sein. Deshalb muss der unverhältnismäßigen Bindung von Personal durch Massenverfahren entgegengewirkt werden“, so Staatsminister Prof. Dr. Poseck weiter.

„Die Justizministerkonferenz ist dem Bundesjustizminister auch hier voraus und hat mit einer von ihr eingesetzten Arbeitsgruppe wichtige Vorarbeiten geleistet. Auch der Deutsche Richterbund hat weiterführende Vorschläge in die Diskussion eingebracht. Mit dem heute vorgestellten Antrag will Hessen den Gerichten unter die Arme greifen und hofft auf breite Zustimmung. Die Situation an den Gerichten ist ernst. Es ist nun Aufgabe des Bundes einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die Gerichte bei Massenverfahren zu entlasten“, sagte Justizminister Prof. Dr. Poseck abschließend. 

Hintergrund:

Laut einer Initiativstellungnahme des Deutschen Richterbundes zur besseren Bewältigung von Massenverfahren in der Justiz aus dem Mai 2022 gingen bei den 24 deutschen Oberlandesgerichten allein im Zuge des „Diesel-Komplexes“ im Jahr 2018 rund 10.000, im 2019 rund 40.000, im Jahr 2020 weitere 30.000 und im Jahr 2021 rund 37.500 Zivilklagen gegen Autohersteller ein. Alleine am Landgericht Stuttgart seien 2021 ca. 8.700 Diesel-Verfahren eingegangen. Am Landgericht Frankfurt am Main sind Anfang 2022 an einem einzigen Tag 100 Verfahren von Wirecard-Anlegern eingegangen, für über 20.000 Verfahren zu diesem Komplex soll es bereits Rechtsschutzzusagen von Versicherern geben.

Quelle: Hessisches Ministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 16. September 2022

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