Soll die Wahlperiode des Bundestages von vier auf fünf Jahre verlängert werden? Sollen die Mandatszeiten von Abgeordneten und die Amtszeiten von Bundeskanzler und Bundesministern begrenzt werden? Mit diesen Fragen hat sich die Wahlrechtskommission des Bundestages am Donnerstagabend erstmals auseinandergesetzt. Sebastian Hartmann, SPD-Obmann in der Kommission, kann sich eine fünfjährige Wahlperiode sehr wohl vorstellen. Alle deutschen Landtage mit Ausnahme Bremens und auch das Europaparlament würden nur alle fünf Jahre gewählt. Hartmann erinnerte an lange Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung nach der Wahl, wodurch die effektive Zeit für die Regierungsarbeit geschmälert würde. Dem Gedanken einer Bündelung von Wahlterminen des Bundes und der Länder erteilte Hartmann eine Absage: „Wir würden nicht an einem Tag in allen Ländern wählen wollen.“ Große Einmütigkeit sieht Hartmann gegen eine Begrenzung von Mandats- und Amtszeiten. Hier müsse auf den Wahlakt abgestellt werden.

Dieser Einschätzung schloss sich Ansgar Heveling, Obmann der Unionsfraktion, an. Die Wahlgrundsätze sprächen gegen eine Begrenzung der Mandatszeit. Limitierende Faktoren seien einerseits die Wahlen und andererseits die Parteien, die über die Kandidatenaufstellung entscheiden. Was die Verlängerung der Wahlperiode angeht, gibt es aus Sicht Hevelings keine verfassungsrechtlichen Hürden. Allerdings müsste Artikel 39 des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert werden. Eine längere Wahlperiode könnte zu mehr Qualität des parlamentarischen Prozesses führen, weil für Beratungen mehr Raum und Zeit zur Verfügung stünden, sagte Heveling. Nach Einschätzung von Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen) würde eine Wahlperiodenverlängerung akzeptiert werden. Es gebe das Empfinden, dass große Reformen Zeit brauchen.

Für Petra Pau, Obfrau der Linken, ist die Zeit, die nach der Wahl für die Regierungsbildung benötigt wird, kein Argument für eine Verlängerung der Wahlperiode. Nach den Regeln seiner Geschäftsordnung sei der Bundestag innerhalb von vier Wochen nach der Wahl arbeitsfähig. Für Pau ist dies eine „Frage des Selbstverständnisses des Parlaments“. Konstantin Kuhle, Obmann der FDP-Fraktion, sprach sich gegen eine Begrenzung von Mandatszeiten aus, sagte aber, in der Frage einer Begrenzung von Amtszeiten sei er noch nicht festgelegt. Albrecht Glaser, Obmann der AfD-Fraktion, verwies darauf, dass für den Wähler als Souverän die Einflussmöglichkeiten in der Zeit zwischen Wahlen sehr gering seien. Er glaube nicht, dass ein Reform nur in fünf Jahren und nicht auch in vier Jahren durchgebracht werden könne. Wer am Wahltag noch 17 Jahre alt sei, müsse dann fünf Jahre bis zur ersten Teilnahme an einer Bundestagswahl warten. Eine Einschränkung von Mandatszeiten sei nicht vorstellbar.

Die Kommission griff darüber hinaus erneut das Thema der Absenkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre auf, das bereits am 7. April beraten worden war. Sebastian Hartmann (SPD) verwies auf den schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Nordrhein-Westfalen, der dies für Landtagswahlen vorsehe. Die Absenkung bei Europawahlen könne durch einfaches Gesetz beschlossen werden, während für die Absenkung bei Bundestagswahlen eine Grundgesetzänderung erforderlich sei, die Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat voraussetzt. Mit Blick auf Unionsobmann Heveling sagte er: „Wir brauchen eine breite Mehrheit. Können wir uns nicht auf 16 Jahre verständigen?“ Für Ulle Schauws von den Grünen hätte die Absenkung eine positive Wirkung auf die Beteiligung an der Demokratie in Deutschland. „Wir würden uns freuen, wenn Sie sich hier einen Schubs gäben“, sagte sie in Richtung Heveling.

Der allerdings bekannte, es gebe in seiner Fraktion keine grundsätzlich wesentliche Änderung in der Beurteilung, die Position habe sich nicht verändert. In den meisten europäischen Ländern liege das aktive Wahlalter bei 18 Jahren, nur in Malta, Österreich und Griechenland könne mit 16 oder 17 Jahren gewählt werden. In Deutschland gebe es unterschiedliche Wahlbiografien, in Kommunen könne etwa mit 16 Jahren gewählt werden. Albrecht Glaser (AfD) griff das Bild vom „deutschen Sonderweg“ auf, der mit einer Absenkung beschritten würde. Dagegen bekannte Stephan Thomae (FDP), er sei vom Gegner einer Absenkung zu einem Befürworter geworden. Er habe beobachtet, dass sich das Interesse an Politik ab 16 Jahren am stärksten entwickelt. Junge Leute ab 16 seien „erstaunlich gut informiert und erreichbar für die Politik“.

Der Bundestag hat die aus 13 Abgeordneten und 13 Sachverständigen bestehende Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit am 16. März 2022 eingesetzt (20/1023). Sie soll ihren Abschlussbericht bis 30. Juni 2023 vorlegen.

Quelle: Deutscher Bundestag, HiB Nr. 474 vom 23. September 2022

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