Der Hessische Minister der Justiz Prof. Dr. Roman Poseck hat heute im Hessischen Landtag in seiner ersten Regierungserklärung seine Pläne für die Umsetzung eines hessischen Pakts für den Rechtsstaat vorgestellt.

Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erklärte in der Plenarsitzung des Hessischen Landtags: „Gerade in diesen Monaten demonstriert Russland unter Putins Führung, wie schrecklich eine Herrschaft ist, die skrupellos auf Stärke und Brutalität anstelle von Regeln und Gesetzen setzt. Deutschland ist durch einen starken Rechtsstaat gekennzeichnet – er ist Markenzeichen und Erfolgsfaktor unseres Landes. Die hessische Landesregierung will mit einem Pakt für den Rechtsstaat die Leistungsfähigkeit der hessischen Justiz stärken. Schon jetzt kann Hessen auf eine handlungsfähige und moderne Justiz bauen. Für unser Land setzen sich täglich tausende Bedienstete mit herausragendem Engagement, hoher Kompetenz und uneingeschränkter Rechtschaffenheit für unseren Rechtsstaat ein. Ihnen möchte ich an dieser Stelle einen großen Dank und meine Rückendeckung aussprechen. Diese Rückendeckung braucht unsere Justiz erst recht in Zeiten, in denen Teile der Gesellschaft Parallelwelten aufbauen und die Legitimation von Recht und Rechtsprechung in Frage stellen. Dem müssen wir gesamtgesellschaftlich entschieden entgegentreten.“

Sieben Bausteine für den hessischen Pakt für den Rechtsstaat

1. Personelle Verstärkung

Der Haushaltsentwurf 2023/24 der hessischen Landesregierung sieht fast 500 Stellen für die Justiz vor. Das ist eine in der Geschichte des Landes Hessen einmalige Verstärkung in zwei Jahren mit dem klaren Schwerpunkt bereits im kommenden Jahr 2023.

Der Minister erklärte: „Wir wollen unter anderem 100 zusätzliche Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte schaffen. Parallel sollen auch die Serviceeinheiten mit 100 Stellen zusätzlich ausgestattet werden. Weiterhin sind unter anderem 55 Stellen für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sowie 43 neue Stellen für den Justizvollzug vorgesehen. Die personellen Verstärkungen sollen dort ankommen, wo Belastungen im Moment besonders hoch sind. Die neun Staatsanwaltschaften und die neun Landgerichte sollen zügig von dem Stellenzuwachs profitieren. Die gute personelle Ausstattung der Justiz ist eine Daueraufgabe, die nicht mit dem Doppelhaushalt 2023/2024 endet. Soweit ich Einfluss nehmen kann, werde ich mich auch nach 2024 für eine starke Berücksichtigung der Justiz im Personalhaushalt des Landes einsetzen.

2. Nachwuchsgewinnung

Die zusätzlichen Stellen müssen so schnell wie möglich besetzt werden. Um dies zu erreichen, arbeiten wir mit einem Maßnahmenpaket daran, die Attraktivität der Justiz zu steigern:

  • Verbesserte Richter-Besoldung

Wir streben an, die ersten beiden Erfahrungsstufen in der Besoldung für die Richterinnen und Richter und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu streichen. Dadurch erhöhen sich die Einstiegsgehälter erheblich. Mein Ziel ist es darüber hinaus, dass diese Veränderungen auch weiteren Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zugutekommen. Konkret würde dies bedeuten, dass mehr als 60% der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Hessen in ihrer Besoldung profitieren werden.

  • Veränderte Einstellungsvoraussetzungen

Der Richterwahlausschuss hat auf meinen Vorschlag hin beschlossen, dass zukünftig 15 Punkte in beiden Examina statt wie bisher 16 Punkte für eine Einstellung in die hessische Justiz reichen können. Damit kann auf ein deutlich größeres Bewerberfeld zurückgegriffen werden.

  • Schnellere Nachwuchsbindung

Mit der „AssessorBrücke“ sollen Nachwuchskräfte die Zeit nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen bis zur Einstellung in den Richterdienst mit einem befristeten Arbeitsvertrag beim Land Hessen überbrücken können. Außerdem wird die Sitzungsfrequenz des Richterwahlausschusses im nächsten Jahr erhöht, um mehr Einstellungen zu ermöglichen.

3. Digitale Justiz

Ein handlungsfähiger Rechtsstaat braucht eine moderne Ausstattung. Im Zentrum steht dabei die Einführung der elektronischen Akte. Aber auch die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz werden wir nutzen, soweit dies sinnvoll und rechtsstaatlich verantwortbar ist. Nach unserem derzeitigen Plan ist es beabsichtigt, den Zivilbereich aller Landgerichte im ersten Halbjahr des nächsten Jahres und anschließend die Ziviljustiz der Amtsgerichte umzustellen. Um dies zu erreichen, haben wir zahlreiche personelle und organisatorische Maßnahmen ergriffen.

4. Moderner Justizvollzug

Im Rahmen des Pakts für den Rechtsstaat soll auch in den Justizvollzug investiert werden. Dazu zählen neben den bereits genannten personellen Verstärkungen auch erhebliche Investitionen in den Bau und in die Sicherheit. Der Doppelhaushalt 2023/2024 sieht 20 Hochbaumaßnahmen im Gesamtvolumen von ca. 160 Millionen Euro vor. Diese Summe ist ein starkes Bekenntnis zu einem modernen Strafvollzug. Stärkung und Modernisierung des Justizvollzugs sind Daueraufgaben, die auch nach dem Jahre 2024 weiterer Investitionen bedürfen.

5. Rechtliche Rahmenbedingungen 

Ein handlungsfähiger Rechtsstaat muss auch effektive rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, insbesondere im Verfahrensrecht. Hessen hat die Hilferufe aus der Praxis gehört und sich mit einer Bundesratsinitiative für eine effektivere Bearbeitung zivilgerichtlicher Massenverfahren, wie Dieselverfahren oder Fluggastrechteverfahren, eingesetzt. Den hessischen Vorschlägen hat der Bundesrat am vergangenen Freitag einstimmig zugestimmt. Nun liegt es an Bundesjustizminister Marco Buschmann, die Vorschläge umzusetzen und damit die Praxis zu unterstützen. Darüber hinaus bin ich offen für eine Veränderung der Strafvorschrift des Erschleichens von Leistungen, also des Schwarzfahrens.

6. Effektivere Strafverfolgung

Das Vertrauen in Rechtsstaat und Justiz hängt wesentlich davon ab, dass Strafverfolgung effektiv, konsequent und gerecht ist. Beispielhaft ist die hessische Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) zu nennen, die über die Landesgrenzen hinweg hohes Ansehen genießt. Für eine effektive Strafverfolgung, bspw. zur Verfolgung von Kindesmissbrauch, brauchen die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte passende Ermittlungswerkzeuge, wie das Speichern von IP-Adressen. Der Europäische Gerichtshof hat erst kürzlich entschieden, dass dies für schwere Straftaten und für die Bekämpfung des Terrorismus und der Bedrohung des Staates eingesetzt werden kann.

7. Zusätzliche Beteiligung

Der Pakt für den Rechtsstaat ist kein abgeschlossenes Projekt. Deshalb habe ich die Vertreterinnen und Vertreter der hessischen Anwalts- und Notarkammern zu einem Gespräch im November eingeladen. Ich möchte Sie in den Pakt für den Rechtsstaat einbeziehen und bin sicher, dass wir weitere Anliegen eines hessischen Pakts für den Rechtsstaat herausarbeiten und gemeinsam umsetzen werden.“

„Der hessische Pakt für den Rechtsstaat ist ein starkes Bekenntnis zu unseren Grundwerten und zu einer gut aufgestellten Justiz. Ich bin überzeugt davon, dass wir unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften damit zukunftsfest machen. Anders als der Bund verfolgt Hessen beim Pakt für den Rechtsstaat eine klare Linie. Wir handeln und legen einen Pakt für den Rechtsstaat auf, der auf ein umfassendes Konzept zur kraftvollen Verstärkung der Justiz setzt. Er beinhaltet einen Gleichklang verbesserter personeller, organisatorischer, technischer und rechtlicher Rahmenbedingungen. Die einzelnen Teile greifen ineinander; wir werden sie ständig weiterentwickeln. Im Mittelpunkt steht das Ziel, dass sich die Menschen in Hessen auch in Zukunft auf einen funktionierenden Rechtsstaat und eine leistungsfähige Justiz verlassen können“, sagte Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck abschließend.

Quelle: hessisches Ministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 12. Oktober 2022

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