Über 600 kinderpornographische und 130 jugendpornographische Bilder hatte ein 18-Jähriger auf seinem Mobiltelefon als die Polizei bei ihm im Frühjahr 2020 zur Durchsuchung klingelte. Für den Besitz dieser inkriminierten Dateien wurde er vom Jugendrichter des Amtsgerichts Gemünden nun verwarnt. Viel bitterer für den jungen Mann allerdings: er muss die Kosten des forensischen Gutachtens für die Auswertung seines Handys tragen – fast 7.000 Euro.

„Er ist damals fast jedem Link gefolgt wenn es um Pornographie ging“, so der Verteidiger des Angeklagten zu Beginn der Verhandlung. Mit 16 habe der Angeklagte angefangen massiv Pornographie zu konsumieren. Bewusst nach Kinderpornographie habe er dabei nicht gesucht. Er habe es einfach unterlassen ihm zugesendete Dateien zu löschen.

„Die ganze Angelegenheit war ein riesen Schock und Weckruf für mich“, so der eingeschüchterte junge Mann, dem die ganze Angelegenheit deutlich unangenehm war. Seit fast drei Jahren schwebe nun dieses Verfahren über ihm. In diesem Zeitraum habe er sich auch in dieser Hinsicht nichts mehr zu Schulden kommen lassen: „Mit dem Thema bin ich durch.“

Der Grund für die lange Verfahrensdauer liegt an der schieren Menge der Verfahren, die Polizei und Staatsanwaltschaft im Deliktsbereich „Kinder- und Jugendpornographie“ zu bearbeiten haben. Bei umfangreichen Datenmengen, wie im vorliegenden Fall, werden die Geräte auf denen inkriminierte Dateien vermutet werden an ein externes IT-Sachverständigen-Unternehmen gegeben. Durch automatisierte Software kann das Forensische-Gutachten so beschleunigt erstellt werden. Die Kosten, die bei großen Datenmengen anfallen, muss zumeist der Verurteilte dann später tragen.

So auch hier: Über 6.800 Euro hat die Auswertung des PCs und des Smartphones des Angeklagten gekostet.

Da der Angeklagte, der im Februar seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, über ein eigenes Einkommen verfügt, verzichtete der Jugendrichter nicht auf die Auferlegung dieser Kosten – eine Möglichkeit die das Jugendstrafrecht aber explizit vorsieht.

Aufgrund dessen, dass der Angeklagte durch die Verfahrenskosten bereits finanziell ausreichend belastet ist, verwarnte der Richter den nunmehr 21-Jährigen Angeklagten nur. Von einer, wie von der Staatsanwaltschaft noch geforderte Geldauflage in Höhe von 1.000 Euro, wurde abgesehen.

„Aus Erziehungsgründen ist die Belastung mit den Gutachterkosten erforderlich“, so der Richter in seiner Urteilsbegründung. Zwar sei bei dem jungen Mann aufgrund von Reifedefiziten Jugendstrafrecht anzuwenden, aber auf die Kostenauferlegung könne nicht verzichtet werden. „Hinter jedem einzelnen Bild steckt unsägliches Leid der betroffenen Kinder“. Dies müsse sich der Angeklagte bewusst machen, so der Richter abschließend.

Strafrahmen für den Besitz von Kinderpornographischen Schriften

Durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16.06.2021 (BGBl. I S. 1810), das am 01.07.2021 in Kraft getreten ist, wurde der Strafrahmen für den Besitz von kinderpornographischen Inhalten deutlich angehoben. 

Sah der alte Strafrahmen des § 184b StGB für den Besitz von Kinderpornographie Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre oder Geldstrafe vor. Nun droht mindestens ein Jahr Freiheitstrafe. Der Tatbestand wurde also zum Verbrechen hinaufgestuft. Eine zwingende Anklage vor dem Schöffengericht und der Wegfall von Einstellungsmöglichkeiten nach den §§ 153, 153a StPO sind die Folge.

Für das Verbreiten, also zum Beispiel das Versenden entsprechenden Bildmaterials über Messenger-Dienste wie WhatsApp, wurde der Strafrahmen von 3 Monaten bis 5 Jahren Freiheitsstrafe auf ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe angehoben.
Nach dieser heftigen Kritik aus der Praxis soll die Ampel-Koalition Medienberichten zufolge eine Änderung bei den verschärften Strafrahmen planen. Diskutiert wird eine Neureglung für Bagatellfälle, also die Einführung eines minder schweren Falles.

Zudem liegen auch mehrere Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vor, die einen Verstoß gegen das aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Schuldprinzip (Übermaßverbot) rügen und die Norm somit für verfassungswidrig halten.

Dies hatte die Justizministerkonferenz in ihrer Herbsttagung 2022 bereits beschlossen:
„Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich mit den Folgen der Anhebung der Mindeststrafandrohung in § 184b Absatz 1 und 3 StGB auf ein Jahr Freiheitsstrafe für Fälle der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Inhalte befasst. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass hinter kinderpornographischem Material häufig reale sexualisierte Gewalt gegen Kinder steht, sind sich die Justizministerinnen und Justizminister einig, dass diese Fälle weiterhin konsequent verfolgt werden müssen.
Unter Berücksichtigung der mehr als einjährigen Praxiserfahrung stellen sie zudem fest, dass die Einordnung aller Begehungsvarianten des § 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 StGB als Verbrechen, zumal ohne minder schwere Fälle, korrekturbedürftig ist.
Die Justizministerinnen und Justizminister stellen außerdem fest, dass die Mindeststrafandrohung des § 184b Absatz 3 StGB von einem Jahr Freiheitsstrafe dem einzelfallabhängigen Unrechtsgehalt der Tat nicht immer Rechnung trägt und zu Wertungswidersprüchen im Strafrahmengefüge führt.“

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